Das Hochformat ist die natürliche Wahl für Porträts. Es spiegelt die menschliche Silhouette wider, lenkt die Aufmerksamkeit auf die Person und verleiht der Komposition einen Eindruck von Eleganz und Konzentration. Wenn du im Hochformat fotografierst, wird der Hintergrund zweitrangig – es sind die Person, das Detail, die Geste oder der Blick, die im Bild dominieren.
Das Hochformat schafft ein Gefühl der Nähe. Es zwingt das Auge, nach oben und unten zu wandern, wodurch der Betrachter das Gefühl hat, in die Figur einzutauchen, anstatt sie nur zu beobachten. Darüber hinaus verstärken vertikale Aufnahmen auf natürliche Weise die Dynamik des Bildes – nach oben führende Linien bauen Spannung auf, und die Perspektive verlängert die Bewegung und Energie des Bildes. Daher kann selbst eine statische Szene im Hochformat den Eindruck von Kraft und Ausdruck gewinnen.
In der sinnlichen und Porträtfotografie verleiht das Hochformat dem Bild Intimität, während es in der Stadtfotografie die Höhe von Gebäuden oder die Monumentalität der Architektur betont. In der Ära der sozialen Medien ist das Hochformat wieder beliebt geworden – nicht nur aus technischen, sondern auch aus emotionalen Gründen. Der Bildschirm eines Telefons ist ein kleiner, persönlicher Raum, und das Hochformat füllt ihn vollständig aus und dringt fast in die Privatsphäre des Betrachters ein.
Ein horizontales Bildformat assoziiert man mit Landschaften, Filmen und klassischer Malerei. Es ist ein Layout, das Ruhe und Ausgewogenheit vermittelt, da unsere Augen sich natürlicherweise von links nach rechts bewegen – so wie wir lesen und die Welt betrachten.
Horizontale Bilder ermöglichen es „zu atmen“. Sie schaffen Raum, in dem sich eine Geschichte entfalten kann. In einem Porträt suggerieren sie Distanz, in einer Landschaft – die Weite des Horizonts, in der Reportagefotografie – den Kontext. Es ist ein Format, das sich emotional nicht aufdrängt, sondern dem Betrachter erlaubt, das Bild eigenständig zu erkunden.
Horizontale Bilder fördern die Kontemplation. Die Horizontlinie stabilisiert die Emotionen, führt den Blick ruhig durch die Szene und vermittelt ein Gefühl von Harmonie. Dadurch werden horizontale Bilder oft mit Ausgewogenheit, Erzählung und Sicherheit assoziiert – sie sind wie ein Atemzug zwischen den dynamischen Aufnahmen der Welt.
Das horizontale Bildformat ist auch von Natur aus ein Filmformat – hier beginnt die Erzählung. Panoramische Aufnahmen, Geschichten über Beziehungen zwischen Menschen und der Umgebung – all das gewinnt an Bedeutung, wenn das Bild „quer“ fließt.
Das quadratische Format ist eines, das es dem Betrachter nicht erlaubt, den Blick zu entziehen. Es ist geschlossen, ausgewogen, aber dadurch auch angespannt. Alles geschieht „in der Mitte“, es gibt keinen Raum zur Flucht.
In einem Quadrat hat jede Linie und jedes Element eine größere Bedeutung. Deshalb wirken quadratische Fotos oft künstlerischer, durchdachter und minimalistischer. Dieses Format war über Jahre hinweg das Markenzeichen von Mittelformat-Analogkameras – wie der legendären Hasselblad – und wird bis heute mit klassischer Eleganz in der Fotografie assoziiert.
Das Quadrat erzeugt Spannung durch Symmetrie. Seine Statik wird zur Emotion an sich – alles, was aus dem Gleichgewicht gerät, zieht sofort Aufmerksamkeit auf sich. Daher ist es ein ideales Format für Experimente mit Geometrie, Perspektive und Symbolik.
In der emotionalen Wahrnehmung vermittelt das Quadrat ein Gefühl von Ausgewogenheit, aber auch von leichter Unruhe – der Betrachter fühlt sich im Bildrahmen zusammen mit dem Motiv eingeschlossen, was das Gefühl der Präsenz verstärkt.
Zu Beginn der Fotografie war das Bildformat eng mit der Größe der Film- oder Glasplatte verbunden – nicht mit der „Ästhetik des Bildausschnitts“. Erst mit der Zeit begann die Technik, den Blick und die Art des Sehens zu beeinflussen.
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert dominierten große Plattenkameras, die Negative im Format 4x5 Zoll (ca. 10x12,5 cm), 5x7 oder 8x10 Zoll verwendeten.
Ihre Proportionen (5:4 oder 4:3) entsprachen weitgehend den klassischen Malereiformaten – harmonisch und angenehm für das Auge. Das 4x5-Format bot hervorragende Schärfe und Detailtreue und wurde so zum Favoriten von Porträt- und Landschaftsfotografen.
Gerade das 4x5-Zoll-Format wurde zu einem der wichtigsten Bezugspunkte in der Geschichte der Fotografie – bis heute gilt es als Symbol für „reine“ Komposition und volle Kontrolle über die Perspektive.
Mit dem Aufkommen der Rollfilmkameras (Rollfilm 120) wurde die Fotografie mobiler, behielt aber ihre hohe Bildqualität.
Jedes dieser Formate (alle mit einer Filmhöhe von 6 cm) hatte seinen eigenen Charakter:
6x4,5 (ca. 4:3) – kompakt, praktisch, häufig in der Gebrauchsfotografie eingesetzt.
6x6 (1:1) – ein absoluter Klassiker unter Künstlern und Porträtfotografen. Das Quadrat war bequem – man musste sich nicht zwischen Hoch- oder Querformat entscheiden. Kameras wie Hasselblad, Rolleiflex oder Yashica machten es zu einer Stil-Ikone.
6x7 (5:4) – der ideale Kompromiss zwischen der klassischen 4x5-Ästhetik und der Mobilität des Mittelformats. Es wurde oft als „das ideale Magazinformat“ bezeichnet, weil es perfekt mit dem Seitenlayout harmonierte.
6x9 (3:2) – das panoramischste der Mittelformate, beliebt in Landschafts- und Reportagefotografie.
Jede dieser Größen entstand nicht aus ästhetischen Gründen, sondern aus dem Streben nach effizienter Filmausnutzung – Ingenieure suchten schlicht das beste Verhältnis zwischen Qualität und Anzahl der Aufnahmen.
Ein Wendepunkt kam, als Oskar Barnack in den 1920er-Jahren die Leica-Kamera entwickelte, die den zuvor im Kino verwendeten 35-mm-Film nutzte.
Das daraus entstandene Negativ im Format 24x36 mm hatte das Seitenverhältnis 3:2, geerbt aus der Kinowelt, deren Einzelbilder denselben Aufbau besaßen.
Gerade dieses Format – das sogenannte Kleinbild – definierte die moderne Fotografie.
Seine Form war ideal für Projektion, Druck und „filmische“ Komposition. Deshalb ist das Verhältnis 3:2 bis heute Standard in Digitalkameras und sogar in Smartphones, obwohl letztere häufig auf 4:3 umschalten – ein Format, das auf Bildschirmen universeller wirkt.
Im digitalen Zeitalter haben sich die Proportionen erneut verschoben – Computer- und Smartphone-Bildschirme haben neue Standards erzwungen:
16:9 – die Welt des Films, YouTube und Bildschirme.
4:3 – Fernsehen und Tablets.
9:16 – soziale Medien und die vertikale Welt der Smartphones.
Paradoxerweise sind wir also zum Ausgangspunkt zurückgekehrt – die Technologie diktiert erneut das Format, und Fotografen sowie Filmemacher passen Emotionen und Komposition an die Rahmen der Geräte an.
Die menschliche Wahrnehmung ist horizontal geformt – unser Sichtfeld ist breiter als hoch. Deshalb nehmen wir die Welt natürlich in „Panorama“ wahr. Aber die Technologie hat dieses Verhältnis umgekehrt. Smartphones und soziale Medien haben das Vertikale erzwungen.
Vertikales Filmen hat seine Vorteile: Es füllt den Bildschirm des Telefons besser aus, konzentriert die Aufmerksamkeit auf ein einzelnes Objekt und erleichtert den Konsum von Inhalten in Bewegung. Es ist ein schnelles, sofortiges, geradezu intimes Format – ideal für die Kommunikation im Hier und Jetzt.
Horizontales Filmen hingegen fördert Erzählungen. Es bietet Platz für Hintergründe, Interaktionen und Emotionen im Raum. Es ist nach wie vor unverzichtbar im Film, in Dokumentationen und Produktionen, die den Zuschauer in die dargestellte Welt hineinziehen sollen.
In der Praxis – beide Ausrichtungen sind Werkzeuge. Das Vertikale wirkt wie ein Haiku-Gedicht: Es kondensiert Emotionen. Das Horizontale ist Prosa – es dehnt die Erzählung aus. Und das Quadrat? Es ist der Rahmen des Bildes, in dem alles zum Symbol wird.
Die Form des Rahmens ist nicht nur eine technische Wahl, sondern ein bewusstes Ausdrucksmittel. Das Hochformat nähert an und belebt, das Querformat beruhigt und erzählt, das Quadrat balanciert und spannt an. Jeder von ihnen kann ein mächtiger Träger von Emotionen sein – es reicht zu verstehen, wie er die Wahrnehmung des Zuschauers beeinflusst.
In einer Welt, in der der Bildschirm des Telefons oft die Galerie ersetzt, sollte man daran denken: Es gibt kein „besseres“ Format. Es gibt nur dasjenige, das unsere Absicht am vollständigsten wiedergibt.