Blog     Portret in Cyanotypie – ich setze die Technik aus dem Jahr 1842 fort.

Portret in Cyanotypie – ich setze die Technik aus dem Jahr 1842 fort.

Mit was haben wir es zu tun?

Die Technik der Cyanotypie entstand 1842, als Sir John Herschel nach einer einfachen Methode suchte, um Zeichnungen und Notizen dauerhaft zu vervielfältigen. Schon bald zeigte sich, dass sich dieses Verfahren auch ideal für technische Pläne eignet – so entstanden die weltweit bekannten „Blueprints“, deren charakteristische Farbwirkung wir der Cyanotypie verdanken. Das markante Blau, das sogenannte Preußischblau, entsteht durch die Oxidation von Eisen und prägte sowohl die technische Nutzung des Verfahrens als auch seine spätere künstlerische Bedeutung.

In meiner Arbeit erfüllt die Cyanotypie eine völlig andere Funktion als einst am Reißbrett. Ich nutze sie zur Herstellung von Fotografien, bei denen technische Perfektion in den Hintergrund tritt. Entscheidend sind Stimmung, Papierstruktur, die Unberechenbarkeit von Licht und Chemie. Mit der Zeit habe ich meinen eigenen Rhythmus, meine Intuition und meine Ästhetik entwickelt, die mich durch jeden einzelnen Abzug führen – vom Belichten bis zum finalen Toning.

Ihre blaue Farbe verdankt die Cyanotypie dem Preußischblau, einem beständigen Pigment, das im Zuge der Eisenoxidation entsteht. Interessanterweise lässt sich dieser charakteristische Ton bewusst verändern – etwa durch Bleichen und erneutes Toning. Eine der klassischen Methoden ist das Toning mit Tanninen. Mit genügend Erfahrung und Feingefühl kann man so eine tiefe, warme Sepia erzeugen, die sich deutlich vom typischen Blau unterscheidet. Da mir gerade diese Sepia-Ästhetik besonders nahe steht, nutze ich diese Technik häufig in meinem eigenen Prozess.

 

 

Vorbereitung des Untergrunds

Der Untergrund ist von entscheidender Bedeutung – er bestimmt, wie Pigmente und Chemikalien in die Struktur des Papiers eindringen. Es darf auf keinen Fall gepuffertes oder zu glattes Papier sein. Die sicherste Wahl ist Aquarellpapier: wasserbeständig und gleichzeitig ausreichend saugfähig, um die Emulsion gleichmäßig aufzunehmen.

Der erste Schritt ist das Zuschneiden. Ich bestimme also die endgültige Größe des Abzugs; da ich ohne Vergrößerer arbeite, kann ich nur Abzüge im Format 4×5 oder kleiner machen. Dieses Bildformat hat mir besonders gut gefallen, daher wähle ich eine Größe nahe dem Maximum und zeichne das Negativ direkt auf das Papier ab.

Der nächste Schritt ist die Vorbereitung der Ränder. Für die richtige Atmosphäre wähle ich die Ästhetik alter Abzüge und erstelle bewusst eine torn deckle edge – so nennt man auf Englisch diesen charakteristisch zerfransten, unregelmäßigen Rand. Man kann ihn mit einer speziellen Guillotine oder manuell mit einer entsprechenden Schablone erstellen, so wie ich es mache.

Nach der Vorbereitung des Papiers trage ich eine Maske aus Malerkrepp auf. Ihr Vorteil ist, dass sie keine Klebespuren hinterlässt, sich leicht ablösen lässt und gleichzeitig die Oberfläche hervorragend vor unerwünschten Streifen und Verschmutzungen schützt.

Wenn der Untergrund fertig ist, mische ich eine Lösung aus Ammoniumeisen(III)-citrat mit einer Lösung aus Kaliumhexacyanoferrat(III) im Verhältnis 1:1, um eine lichtempfindliche Emulsion zu erhalten. Diese ist nicht sehr stabil, daher bereite ich sie direkt vor der Anwendung vor.

Die frisch gemischte Emulsion wird gleichmäßig auf das Papier aufgetragen und vollständig trocknen gelassen – erst danach kann der eigentliche Belichtungsprozess beginnen.
 

Der letzte Schritt besteht darin, das vorbereitete Papier mit dem Negativ in einen Belichtungsrahmen zu legen. Aufgrund der Jahreszeit und des Mangels an stabilem Tageslicht entscheide ich mich für die Belichtung mit einer UV-Lampe. Meine Lampe arbeitet im Bereich von 405 nm – das ist ein Wert, der etwas höher ist als der als optimal angesehene, aber in der Praxis funktioniert er ebenso gut. Für die Cyanotypie wird eine Wellenlänge von etwa 365 nm (UVA-Bereich) als am besten geeignet angesehen, da sie die Reduktion von Eisen in der Emulsion am effektivsten initiiert.

Zum Belichten verwende ich auch eine speziell gebaute Kammer, obwohl ich sie im Material nicht zeige – sie spielt keine entscheidende Rolle beim Verständnis des Prozesses, gibt mir aber die volle Kontrolle über die Zeit und Gleichmäßigkeit der Belichtung.

Entdeckung eines verborgenen Bildes

Im Gegensatz zu klassischen Dunkelkammermaterialien, bei denen das Bild erst nach Anwendung eines Entwicklers erscheint, sieht die Situation bei der Cyanotypie anders aus. Hier nimmt das Papier nach der Belichtung eine dunkelblaue, wenig attraktive Farbe an und erinnert kaum an das ursprüngliche Bild. Erst beim Spülen mit Wasser beginnt das eigentliche „Enthüllen“. Der Wasserstrahl spült nicht reduzierte, lichtempfindliche Eisensalze und -ferricyanide aus — gerade diese haben sich unter Lichteinfluss nicht verändert. Auf dem Papier bleibt nur reduziertes Eisen zurück, das sich in dauerhaftes Preußischblau verwandelt und das eigentliche Bild enthüllt.

Der nächste Schritt ist das Bleichen, dessen Ziel es ist, das fixierte Pigment teilweise zu schwächen und es für das Tonen vorzubereiten. Dieser Prozess „zerstört“ das Bild nicht, sondern lockert die Bindungen des Preußischblaus, sodass die im Tonungslösung enthaltenen Gerbstoffe sich mit dem Eisen verbinden und den Farbton des Abzugs verändern können. Hier findet die Tannin ihren Platz — sie wird die endgültige Farbe verleihen.

Tonen ist ein langsamer Prozess, der Geduld erfordert. Man kann verschiedene gerbstoffreiche Substanzen verwenden, wie Kaffee, Tee oder konzentrierte Tanninsäure. Jede von ihnen ergibt einen anderen Effekt: Kaffee färbt in der Regel sowohl das Bild als auch das Papier stark, Tee ist oft sanfter und subtiler. Um das Papier so hell wie möglich zu halten, habe ich mich diesmal für ein intensives Teebad entschieden, das einen sepiafarbenen Ton erzielt, ohne den Hintergrund übermäßig zu verdunkeln.

Nach dem Tonen folgt die letzte Phase — die Oxidation. Das Bild stabilisiert sich über die nächsten Stunden und erhält seine endgültige Farbe und Sättigung. Erst nach etwa einem Tag kann die Farbe als endgültig angesehen werden.

Erfolgsgeschichte

Der letzte Schritt ist die Krönung der gesamten Arbeit — ein kleiner, aber äußerst befriedigender Ritus, der den Prozess abrundet. Ich wollte, dass die Beschreibung, die dem Abzug beiliegt, ästhetisch mit seinem Charakter harmoniert, dass der Text seine natürliche Verlängerung ist und kein fremder Zusatz.

Vor einigen Jahren habe ich auf einem Flohmarkt eine alte Schreibmaschine gekauft. Nach einer Reihe kleiner Reparaturen und Wartungen hat sie ihre frühere Funktionalität wiedererlangt und ein neues Leben in meinem Atelier gewonnen. Da meine Handschrift so chaotisch ist, dass sie die gesamte Komposition mit einer einzigen misslungenen Schleife ruinieren könnte, wurde das Maschinenschreiben zu einer sicheren und vollständig prozesskonformen Alternative.

Ursprünglich plante ich, ein Zitat zu verwenden, aber die Unsicherheit über seinen genauen Wortlaut veranlasste mich dazu, auf einen pragmatischeren Inhalt zu setzen — wer und wo. Minimalismus, der den Rhythmus des Bildes nicht stört.

Um die Beschreibung farblich mit dem Abzug zu harmonisieren, habe ich sie mit der restlichen Tönungslösung vom Vortag behandelt. Nach dem Trocknen konnte ich das Ganze sicher in meinem Buch über Cyanotypie platzieren und sowohl das Projekt als auch die Entstehungsgeschichte dieses speziellen Fotos abschließen.

Ich hoffe, dass die Verfolgung dieses Prozesses für Sie ein angenehmes Erlebnis war und Ihnen einen Bruchteil der Freude vermittelt hat, die ich während der Arbeit an der Fotografie, dem Abzug und dem gesamten begleitenden Filmmaterial empfunden habe.


Model 
Anna, Imago Mortis

Chat Icon
Assistent
BOT: Ich bin ein virtueller (und einigermaßen intelligenter) Assistent. Wenn du Fragen hast, helfe ich dir gerne!
Hint